Mit der H2O präsentierte BFO zur Eurobike 2015 die weltweit erste, in Serie produzierte Bike-Bremse, die mit Wasser statt Öl als Hydraulikmedium arbeitet. Die Vorteile sollen nicht nur die einfachere Handhabung, sondern auch maximale Power bei geringer Fingerkraft sein. Um dieses Versprechen zu überprüfen, haben wir die BrakeForceOne H2O über ein Jahr ausführlich ausprobiert und auf Langzeithaltbarkeit getestet. Ob die neuartige Lösung überzeugen konnte, erfahrt ihr in diesem Review.
BrakeForceOne betrachtet aktuelle Technologien aus einem anderen Blickwinkel und kreiert Produkte, die sich deutlich von der breiten Masse abheben. Als Innovator der Bike-Industrie hat das Unternehmen zunächst mit einem integrierten Bremskraftverstärker für Aufsehen gesorgt und das Konzept über die Jahre weitergedacht. Das Resultat ist die H2O, die die Eigenschaften des Vorgängermodells in optimierter Weise mitbringt, allerdings mit Wasser statt Mineralöl funktioniert. Laut dem Hersteller bietet diese neuartige Lösung zahlreiche Vorteile, die in dieser Form keine andere Bremse aus der Serienfertigung bereitstellen kann.
Dabei kombiniert die BrakeForceOne H2O nicht nur einen integrierten Bremskraftverstärker mit Wasserhydraulik, sondern stellt auch in anderen Bereich eine High-End-Lösung dar. Da wären unter anderem der konsequente Leichtbau, die hohe Verarbeitungsgüte und Individualisierbarkeit sowie der Preis von knapp 600 Euro für einen kompletten Satz. Ob das Konzept auch wirklich dauerhaft zuverlässig funktioniert und die Kosten rechtfertigt, haben wir über ein Jahr lang im Bike-Park, auf unseren Hometrails und bei einem Alpen-Urlaub überprüfen können. Soviel Vorweg: Das Ergebnis dürfte auch die Kritiker überzeugen.
Features im Überblick
- Wasser statt Öl
- integrierter Bremskraftverstärker
- hohe Bremspower
- härterer Druckpunkt als beim Vorgänger
- sehr dünne Leitungen
- feinere Dosierbarkeit
- geringe Fingerkraft nötig
- geschlossenes System – kein Ausgleichsbehälter
- kein Schleifen
- Leitung quasi werkzeuglos kürzen durch Steckverbinder
- individuelle Farb- und Hebelkonfigurationen
Die BrakeForceOne H2O im Detail
Die Idee zur BrakeForceOne H2O ist laut Entwickler Jakob Lauhoff aus einer Laune heraus entstanden, um zu sehen, ob eine konventionelle Bremse auch mit Wasser funktionieren könnte. Nachdem der erste Test recht erfolgreich verlief, wurde die Entwicklung weiter vorangetrieben.
Wasser als Hydraulikmedium
Führende Hersteller von MTB-Bremsen setzen nach wie vor auf Mineralöl oder DOT als Hydraulik-Medium. BFO hat hingegen im Wasser nach den ersten erfolgreichen Funktionstests einige Vorteile erkannt: So liegt die Wärmekapazität höher bei gleichzeitig geringerer Ausdehnung unter Temperatureinfluss. Das soll der Bremse zur konstanten Power verhelfen.
Natürlich erfolgt auch die Wartung leichter, da Wasser deutlich einfach zu handhaben ist und sich problemlos von Oberflächen sowie Textilien entfernen lässt. Generell muss die Flüssigkeit anders als DOT nicht gewechselt werden, was den Umgang mit der BrakeForceOne H2O nochmals vereinfacht.
Natürlich weist Wasser auch ein paar Eigenschaften auf, die sich niemand in einer Bremse wünscht. Hierzu zählt unter anderem der tiefe Siedepunkt, der ein schnelles Kochen ermöglicht. Der Hersteller gibt allerdings Entwarnung, denn das geschlossene System wirkt dem Vorgang entgegen. Ohnehin werden selten kritische Temperaturen des Bremsmediums erreicht. Selbst die Dichtungen in konventionellen Öl-Bremsen sind nur bis 90 Grad Celsius freigegeben. Für die kalte Jahreszeit sorgt der Hersteller ebenfalls vor, denn die BrakeForceOne H2O ist mit 20 Prozent Glykol versetzt. Das erlaubt eine Nutzung bei einer Außentemperatur von bis zu minus sieben Grad Celsius. Wer die optionale Lösung mit 40 Prozent Frostschutz kauft, kann das Rad sogar bei minus 25 Grad Celsius fahren.
Steiferer Bremssattel mit integriertem Bremskraftverstärker
Herzstück der BrakeForceOne H2O bildet der Bremssattel, der laut dem Hersteller gegenüber dem Vorgängermodell enorm an Steifigkeit gewonnen hat. Das führt wiederum zu einem härteren Druckpunkt durch einen geringeren Hebelweg und eine höhere Performance.
Der Bremssattel selbst fällt verglichen mit anderen Modellen recht breit aus, was dem integrierten Verstärker geschuldet ist. Dennoch bringt die BrakeForceOne H2O angenehm wenig Gewicht auf die Waage: Das komplette Set wiegt ohne Scheiben lediglich 375 Gramm (Vorne 182 Gramm, hinten 193 Gramm). Positiv zum geringen Gewicht tragen auch die dünnen Leitungen bei, die sich durch den geringen Durchmesser von vier Millimetern allerdings nicht gut mit konventionellen Halterungen klemmen lassen.
An den Bremssätteln befinden sich zudem um 360 Grad drehbare Leitungsaufnahmen mit Schnellkupplungen, wodurch ein rapider Wechsel oder Austausch möglich wird. Auch der Verstärker-Deckel kann gegen eine andersfarbige Variante getauscht werden. BFO bietet hierfür verschiedene Optionen an, um die Bremse an das Design des Bikes anzupassen.
Filigrane Hebel für ein oder zwei Finger
Dieses Feature findet sich auch bei den filigranen Hebeln wider. Eine farbliche Individualisierung ist damit problemlos umzusetzen. Außerdem gibt es die Hebel als Ein- oder Zweifinger-Ausführung, sodass jeder Fahrer seine persönliche Vorliebe abdecken kann. Für unseren Test haben wir die kurze Version gewählt, da wir das Handling bevorzugen und die Bremse besser dosieren können.
BrakeForceOne H2O: Starke MTB-Bremse mit Wasserhydraulik im Test
Der komplette Hebel beinhaltet zudem noch den Geberkolben, der über keinen Ausgleichsbehälter verfügt. Das sorgt für einen schlanken Aufbau. Zusätzlich integriert der Hersteller zwei unterschiedlich große Einstellrädchen. Das kleiner erlaubt die Veränderung des Hebelwegs. Mit dem großen Einstellrad kann der Druckpunkt verändert werden. Viel wichtiger ist jedoch, dass damit der Belag nachgestellt werden muss, denn eine automatische Justierung ist aus technischen Gründen nicht umsetzbar.
Tune Bremsbeläge und satinierte Scheiben
Apropos Belag: Selbige sind mit 12 Gramm pro Paar sehr leicht und wurden zusammen mit Tune entwickelt. Kein Wunder, denn schon in der Vergangenheit haben beide Firmen kooperiert. BFO liefert ab Werk organische Beläge mit, die auch ohne große Warmfahrphase für eine angemessene Bremskraft sorgen.
Kombiniert wird das Ganze mit satinierten Scheiben, deren Oberfläche mit Glasperlen behandelt wurde, um ein unnötig langes Einfahren zu umgehen. Allerdings müssen die Rotoren separat erworben werden, stehen aber in den gängigen Größen von 160 bis 200 Millimetern zur Auswahl. Mit den passenden Adaptern liegt ein Satz der BrakeForceOne H2O bei etwas unter 700 Euro – kein Schnäppchen.
Einfache Montage und Handhabung?
Hinsichtlich der Montage unterscheidet sich die BrakeForceOne H2O kaum von anderen Bremsen am Markt, denn neben dem Sattel muss lediglich der Hebel installiert werden. Doch gerade wenn ein Rahmen mit integrierter Kabelführung zum Einsatz kommt, kann das spezielle Modell punkten. Dank des unproblematischen Hydraulikmediums, fällt die Handhabung sehr einfach: Kürzen der Leitungen und Entlüften ist mit Wasser deutlich einfach umzusetzen, als mit Öl. Selbst wenn Flüssigkeit danebengeht, fällt das Reinigen von Böden oder Kleidung kinderleicht aus. Auch falls in freier Natur eine Leitung reißen sollte, ist die ökologische Belastung sehr gering, denn im Wasser befindet sich wie bereits erwähnt nur eine geringe Menge an Glykol.
Allerdings muss die BrakeForceOne H2O zum Entlüften teilweise demontiert werden, denn die dazu benötigten Öffnungen sind etwas suboptimal positioniert oder müssen sich beim Befüllen an der höchsten Stelle befinden. Gerade die Schraube an den Hebeln ist nur bei deinstallierter Schelle möglich, da sich die mitgelieferten Spritzen sonst nicht aufstecken lassen. Am Bremssattel liegen die Öffnungen hingegen auf der Innenseite, sollen aber laut dem Hersteller beim Entlüften nach oben gerichtet sein, was nur am Vorderrad ohne komplette Demontage möglich ist.
Ebenfalls nicht ganz zeitgemäß ist die manuelle Nachstellung der Bremsbeläge, was sich sicherlich aus der Konstruktion selbst ergibt. Allerdings lässt sich dadurch auch der initiale Hebelweg in gewissem Maße einstellen, was beispielsweise beim Schleifen der Scheibe hilfreich sein kann. Apropos Beläge: Selbige lassen sich nur nach unten entnehmen, was einen Ausbau der Laufräder erfordert.
Im Praxistest
Wir haben die BrakeForceOne H2O nun ausführlich über ein Jahr lang an verschiedenen Bikes genutzt. Bei fast allen Disziplinen wurde die Bremse ausprobiert. Dabei lag das Systemgewicht immer um die 120 Kilogramm, was weit über dem Durchschnitt liegen und eine echte Herausforderung darstellen dürfte. Genutzt wurde das spezielle Modell während der Testphase in den Alpen inklusive Bike-Park-Besuch, bei ausgiebigen Touren oder auf dem Hometrail.
Kombiniert haben wir die BrakeForceOne H2O mit 200 Millimeter großen Scheiben, die jeweils nur 176 Gramm auf die Waage bringen. Damit haben wir die maximale mögliche Power erzielt, die die Bremse liefern kann. Doch bevor es zur ersten Bergabpassage gehen konnte, mussten wir die Bremse montieren.
Bereits ab Werk befüllt, verlief die Installation ganz einfach. Auch das nachträgliche Leitungskürzen war ohne große Schrauberei und nachträgliches Entlüften möglich. Dennoch haben wir die Bremse direkt mit der stärkeren Glykol-Lösung befüllt, da der Test in den Wintermonaten startete. Insgesamt ist der Anbau der BrakeForceOne H2O aber etwas weniger umständlich als bei Modellen mit Mineralöl oder DOT.
Zu guter Letzt musste noch die Hebelweite und der Druckpunkt eingestellt werden, was sich aufgrund der doch recht scharfkantigen Drehschrauben sowie der etwas zu üppig aufgetragenen Schraubensicherung als weniger komfortabel herausstellte. Auch der Verstellbereich könnte etwas großzügiger ausfallen.
Gewöhnungsbedürfte Dosierbarkeit?
Zunächst sind wir mit dem Testrad auf unserem Hometrail unterwegs gewesen, um langsam die Charakteristik der Bremse kennenzulernen. Anders als befürchtet erfolgte die Umstellung recht schnell, denn wer nach Gefühl bremst, bekommt die BrakeForceOne H2O schnell unter Kontrolle. Auffällig war hierbei aber gegenüber konventionellen Bremsen, dass die Kraft nicht kontinuierlich steigen muss, um eine höhere Leistung zu erzielen. Allein über den Hebelweg wird die Power definiert, was gerade in Kombination mit den Einfingerhebeln für ein entspanntes Bremsen sorgt. Ein feines Dosieren war nach der kurzen Eingewöhnungsphase fast durchweg möglich.
Hohe Performance und Standfestigkeit
Bezüglich der Bremskraft überraschte die BrakeForceOne H2O als brachialer Anker, denn der Bremskraftverstärker im Sattel leistete beste Arbeit. Die Power liegt nahezu auf dem Niveau der Vierkolben-Modelle wie MT5, Zee und Co. Selbst bei extremen Abfahrten im alpinen Raum zeigte die H2O trotz des hohen Systemgewichts keinerlei Performance-Probleme. Das gilt ebenso für die Standfestigkeit. In Österreich haben wir die BrakeForceOne mutwillig missbraucht und sind eine kilometerlange Abfahrt mit Schleifender Bremse heruntergefahren. Das Resultat: Die Bremse war trotz deutlich spürbarer Temperatur gänzlich unbeeindruckt von diesem plumpen Versuch, das Maximum zu erreichen. Weder Bremskraft noch Dosierbarkeit ließen hier merklich nach.
Zuverlässig und haltbar über lange Zeit
Nach nun über einem Jahr alltäglicher Nutzung können wir der Bremse eine hohe Zuverlässigkeit zusprechen. Zu keiner Zeit kam es zu funktionstechnischen Problemen. Auch die doch recht filigran wirkenden Hebel haben einen mittelschweren Sturz gut überstanden und nur Kratzer davongetragen. Einzig die dünnen Leitungen sind einmal bei einer Singletrail-Tour gerissen und mussten erneuert werden. Aufgrund der Standard-Hydrauliktechnik und einem Baumarkt in der Nähe, war der Wechsel aber schnell erledigt. Auch das Befüllen erfolgte recht schnell und rein mit Leitungswasser. Danach funktionierte die BrakeForceOne H2O wie gewohnt.
Fazit
Die BrakeForceOne H2O ist trotz zwei Kolben eine der stärksten Bremsen auf dem Markt und punktet vor allem durch eine geringe Hebelkraft sowie gute Dosierbarkeit. Das geringe Gewicht dürfte Enthusiasten an diesem Modell ebenso gefallen, wie die optionalen Individualisierungsmöglichkeiten. Natürlich stellt auch die unproblematische Hydraulikflüssigkeit in Form von Wasser einen dicken Pluspunkt aufgrund der einfachen Handhabung und Beschaffung dar. Selbst die Standfestigkeit der BrakeForceOne H2O liegt auf einem sehr hohen Level.
Dennoch sind über den Testzeitraum auch ein paar Kritikpunkte aufgefallen. Dazu gehören die manuelle Belagverstellung, die eher weniger komfortable Griffweiteneinstellung und die notwendige Demontage von Sattel und Hebel zum Entlüften. Dazu kommen noch die dünnen Leitungen, die zwar leicht sind, aber in gängigen Halterungen klappern und locker sitzen. Eventuell sollte der Hersteller über kurze Überzüge zur Durchmesservergrößerung nachdenken, die eine optimale Klemmung ermöglichen.
Die BrakeForceOne H2O ist eine echte Innovation und kostet dementsprechend auch recht viel. Satte 594 Euro werden für den Satz fällig – passende Bremsscheiben und Adapter nicht eingerechnet. Für die Rotoren ruft der Hersteller weitere 32 Euro pro Stück auf. Für ein Komplettpaket müssen also um die 700 Euro investiert werden. Ob sich dieser Preis lohnt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Als Gegenleistung erhält der willige Käufer brachiale Brems-Power bei geringer Hebelkraft, verpackt in einem kompakten und leichten Format, das dank Wasser auch noch ökologische Vorteile mit sich bringt. Für uns ist die BrakeForceOne H2O daher eine klare Innovation und das honorieren wir mit dem entsprechenden Award:
BrakeForceOne H2O als Basis für ABS-System
Auf der Eurobike 2016 hat das Tübinger Unternehmen das Konzept der H2O weitergedacht und in Richtung E-Mobilität weiterentwickelt. Herausgekommen ist ein ABS-System, das mit der innovativen Bremse funktioniert und die Sicherheit von Pedelecs zukünftig erhöhen soll.
Über BrakeForceOne
BFO umfasst in seinem Angebotsspektrum neben innovativen Bremsen auch die Entwicklung und Planung von EBikes für die deutsche Automobilindustrie. Dies umfasst den kompletten Bau von Prototypen sowie Soft/Hardwareentwicklungen.
BFO verwendet für diesen Unternehmensbereich einen zweiten Standort in Mühlacker, welcher einen neuen Maschinenpark inkl. CNC-Maschinen beinhaltet. Damit kann das Unternehmen schneller neue Produkte entwickeln oder Änderungen an bestehenden Produkten selbst vornehmen. Weiterhin ist es dem Hersteller möglich Wärmebehandlungen von Rahmen sowie Pulverbeschichtungen oder Lackierung von Teilen oder ganzen Rahmen vorzunehmen. Das Angebot beinhaltet außerdem 3D-Simulationen mit Solid Works sowie FEM-Berechnungen.
BFO als Entwicklungspartner für die Zweirad- oder Automobilindustrie, insbesondere im Bereich Mikromobilität, kann alles aus einer Hand anzubieten. BFO bietet auf diesem modernen Markt der Mikromobilität ein innovatives Team, um Produkte von der Konstruktion über den Prototypen bis zur Kleinserie erfolgreich auf den Markt zu bringen.
Quelle: BFO
Wertung
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Verarbeitung9,5
-
Performance9,5
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Gewicht10
-
Standfestigkeit9,5
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Dosierbarkeit9,5
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Handhabung7,5